Leseprobe aus "La Bonne du Château"

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In der letzten Novemberwoche sind wir in Limoges bei Freunden zum Mittagessen eingeladen und fahren beizeiten los, denn wir wollen von dieser Stadt, die für ihre Porzellan- und Emailproduktion, aber auch für ihre Glasmalerei berühmt ist, etwas sehen. Wir parkieren im eleganten Zentrum mit den pittoresken Gassen. Chameena, unsere kleine Maus, ist so aufgeregt über diese unbekannte Stadtwelt, dass sie fest an der Leine zieht, die ich vorsorglich sehr kurz halte. Ich habe trotzdem keine Chance. Mit ihren energiegeladenen dreissig Kilogramm steuert sie, mit mir im Schlepptau, keuchend und mit heraushängender Zunge schnurstracks auf drei Teenies zu, die sich an die Schaufensterscheiben drücken. Eine der drei beginnt hysterisch zu kreischen, und die beiden anderen stimmen mit ein. Ich versuche sie zu beruhigen: „C’est seulement un bébé“, und zitiere damit automatisch unseren Nachbarn Paul, der immer, wenn er von Chameenas Streichen hört, sagt: „Oh, she is still a baby.“

Eines der Mädchen hört auf zu kreischen und erwidert etwas, das ich wegen der schrillen Schreie der anderen nicht verstehe, aber es wird wohl etwas in dem Sinne gewesen sein, wie man so eine Bestie bébé nennen könne? Damit nicht genug: Unsere Oma Nicki hat ein dickes Geschäft gemacht, mitten auf dem Trottoir. Wenn schon, dann muss alles passen! Da die Leute ringsum uns anstarren, als seien wir erfolglose Löwenbändiger, zotteln wir vier Landpomeranzen peinlich berührt von dannen.

Die Stadterfahrung fehlt unserer kleinen Maus, und die Situation hier in Limoges überfordert sie und auch mich. Ich hätte Chameena besser Mark überlassen, aber ich hatte mich so sehr darauf gefreut, mit ihr durch die Strassen zu stolzieren und bewundernde Blicke für ihre Schönheit zu erhaschen. Jede Mutter mit einem entzückenden Baby wird sich bestens in meine Lage versetzen können.

Da Aufgeben nicht unsere Sache ist, schlendern wir weiter durch die Stadt. Ein Hund kommt uns entgegen. Nicki kann, so vorbildlich sie sonst ist, nicht an sich halten. Sie zieht an der Leine und bellt ihren Artgenossen wütend an. Ein bellender, schwarzer Hund und eine an der Leine reissende Bestie, das ist gelinde ausgedrückt indeed not very amusing. Ich komme mir vor wie ein Jockey mit seinem Rennpferd, nur dass ich anstatt auf dem Pferd die Zügel hinter dem Pferd im Griff habe. Wenn wir noch länger hierbleiben, sind die Gassen bald nicht nur autofrei, sondern auch menschenleer.

Wir laufen vom Zentrum weg in ein Aussenquartier, wo Mark einen Park und gleich daneben eine öffentliche Toilette entdeckt. Pipi zu machen, kostet dreissig Cent, aber das leisten wir uns, denn wir haben ja schon auf Kaffee und Kuchen verzichtet. Für mich hat das Kleingeld gereicht, aber als Mark an der Reihe ist, sind die Münzen aufgebraucht. Deshalb muss Mark sein Geschäft notgedrungen hinter einem riesengrossen Busch im Park verrichten. So etwas machen wir sonst nie, mais notre situation est vraiment exceptionnelle. Ich stehe mit den zwei Hunden Schmiere, und die Aktion wird erfolgreich abgeschlossen. Auf dem Weg zurück zum Parkplatz ziehen und schnüffeln unsere beiden vierbeinigen Landpomeranzen weiterhin ungeniert herum, sodass wir froh sind, als wir wieder ins Auto einsteigen können.

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Das Buch "La Bonne du Château" (ISBN 978-3-9524831-0-7) ist ab sofort in ausgewählten Buchhandlungen und direkt bei Sonja Gurt-Nigg im Château de Gorce erhältlich. Weitere Informationen finden Sie auf der Seite "Verfügbarkeit".